9. Interview – Erzähl mir deine (Schul-) Geschichte

Das Interview wurde geführt mit

Henry Rau
André Fechner (v.l.n.r.)

Datum des Interviews: 16. März 2021
Schulzeit: 1972 – 1980 | 1971 – 1979

In den 70er Jahren wurde die Schule stärker vom DDR-Regime instrumentalisiert, Lehrer mussten aktiv für die Jugendweihe werben und der Wehrkundeunterricht wurde eingeführt. 1975 wurde in der Wittbrietzerner Schule die Hortbetreuung eingeführt und man kümmerte sich um Hausaufgaben und Lerndefizite. Die Schüler bildeten eine Gemeinschaft, keiner blieb außen vor. Nach der Schule trafen sich alle und spielten zusammen.

Henry Rau © by Adam Sevens

Henry Rau in seinem Garten © by Adam Sevens

André Fechner © by Adam Sevens

André Fechner vor der Wittbrietzener Schule © by Adam Sevens

Schmeier, Schuhmacher, Frisch, Rau

… so hießen die Lehrer zu dieser Zeit an der Wittbrietzener Schule. Das Lehrerehepaar Schmeier waren beliebt, Herr Schmeier leitete auch die AG Sport. Die Mathelehrerin Frau Frisch war sehr streng und respektseinflößend. Außerdem gab es noch das Lehrerehepaar Schumacher sowie die junge Frau Rau (ehemalige Schülerin, siehe 6. Interview und 8. Interview).

Nachhilfe von älteren Schülern oder im Hort

Speziellen Nachhilfeunterricht gabs auf dem Dorf nicht, man hat eher mit älteren Schülern zusammen gelernt. Schon im Schulunterricht achteten die Lehrer auf leistungsschwächere Schüler. Bei einer Schüleranzahl von maximal 15 Kindern pro Klasse fiel niemand so schnell durchs Raster bzw. konnte seine Defizite verstecken. Im Hort konnten leistungsschwächere Schüler zusammen mit den Horterziehern ihre Hausaufgaben machen und lernen.

Vom Pioniernachmittag zur FDJ

Die Schüler der DDR-Schulen wurden ab der 1. Klasse Jungpioniere, ab der 4. Klasse Thälmann-Pioniere, ab der 7. Klasse übernahm dann die Jugendorganisation FDJ (= Freie Deutschen Jugend). Als Jungpioniere waren die Schüler noch ambitionierter, die Pionierveranstaltungen zu besuchen, je älter die Schüler wurden, desto mehr machte sich die Unlust vor den Pflichtveranstaltungen breit, ganz zu schweigen vom Wehrkundeunterricht später in der Schule in Beelitz.

Wehrunterricht und Wehrlager

Zur Zeit des kalten Krieges gab in den DDR-Schulen Wehrunterricht. In der 9. Klasse (an der Beelitzer Schule) wurde auch ein Wehrlager (2-3 Wochen) durchgeführt, in dem die Schüler theoretisch und praktisch in militärischen Belangen ausgebildet wurden. Die Schulleitung bzw. der Schuldirektor war für den Wehrunterricht verantwortlich. 60 Prozent aller männlichen Schüler wurden dann für mehrere Wochen in ein Wehrlager geschickt. Im Vorfeld wurden einige Jugendliche sehr kreativ, um nicht ins Wehrlager zu müssen. Bei den Eltern kamen der militärische Drill, der vor allem im Wehrlager statt fand, gar nicht gut an und es wurde mit der Schule hitzig darüber diskutiert.

Schüler waren eine Gemeinschaft

Beide denken gern an ihre Schulzeit zurück. Die ehmaligen Schüler haben untereinander immer noch Kontakt, viele sind in Wittbrietzen oder den umliegenden Dörfern geblieben. Die Schüler bildeten eine Gemeinschaft, spielten nach der Schule zusammen und es gab keine Grüppchenbildung. In der 8. Klasse gab es eine Klassenfahrt in den Spreewald, bei der die Schüler eine Woche lang zelteten. Ansonsten gab es oft Tagesausflüge in den Tierpark oder ins Hans-Otto-Theater nach Potsdam.

Inhalt des vollständigen 9. Interviews (Länge 56:38 min)

  • (00:20) Der Jahrgang von Henry Rau war der letzte, der alle acht Klassenstufen in Wittbrietzen durchlaufen hat. Ab 1980 wurden in der Schule nur noch die ersten vier Klassen unterrichtet. Ab der fünften Klasse gingen die Schüler in Beelitz zur Schule. Zu der Zeit wurden einzelne Klassenstufen auch komplett in der Elsholzer Schule unterrichtet (siehe Henry Rau von der ersten bis zur vierten Klasse)
  • (02:17) Der 71er Jahrgang war die erste Klasse in Wittbrietzen zweistufig: A- und B-Klasse jeweils mit 12 Schülern
  • (03:00) Im Klassenraum gab es einen Polylux (Polylux (Gerät) – Wikipedia) sowie viel Kartenmaterial für Geografie und Biologie, im Klassenraum hingen viele gemalte Bilder der Schüler.
  • (05:07) Die erste bis vierte Klasse (in Elsholz) nur eine Lehrerin (Frau Schade), die alle Fächer abdeckte, bei Krankheit kam als Vertretung Frau Schickedanz
  • (05:45) Am Anfang der ersten Klasse gab es keine Zensuren, sondern es wurde mit „Bienchen“ ausgezeichnet
  • (06:25) Das Klassenzimmer auf dem Dachgeschoss war nicht gedämmt. Mit seinen braunen Dielen, es sah eher aus wie ein Dachboden
  • (07:05) Zu der Zeit, war das Lehrerehepaar Schmeier sehr beleibt. Die Mathelehrerin Frau Frisch war sehr streng und respektseinflößend, außerdem gab es noch das Lehrerehepaar Schumacher sowie die junge Frau Rau (ehemalige Schülerin siehe 6. Interview)
  • (10:01) Zum Schulgartenunterricht mit Frau Stielau mussten die Schüler, die in Elsholz unterrichtet wurden, extra nach Wittbrietzen kommen
  • (10:25) Die Schüler sind gern zum Unterricht gekommen. Nach dem Unterricht flog die Schulmappe aber trotzdem erst mal in die Ecke und die Kinder gingen nach draußen zum Spielen. Bei den Schularbeiten wurde meist nur das notwendigste gemacht
  • (11:50) Die Eltern arbeiteten auf der LPG, nach der Schule mussten die Kinder zuerst die wenigen verbliebenden Tiere auf den familiären Bauernhof füttern, danach war aber noch genug Zeit für Spaß und Spiel
  • (13:58) Die Eltern schauten schon mal über die Hausaufgaben ihrer Kinder, ließen ihnen aber nach der Schule auch viel Freiraum zum Spielen, wenn sie merkten, dass die Kinder keine großen Probleme hatten
  • (16:36) Speziellen Nachhilfeunterricht gabs auf dem Dorf nicht, man hat eher mit älteren Schülern zusammen gelernt, schon im Schulunterricht achteten die Lehrer auf leistungsschwächere Schüler. Bei einer Schüleranzahl von maximal 15 Kindern pro Klasse fiel niemand so schnell durchs Raster bzw. konnte seine Defizite verstecken. Im Hort konnten leistungsschwächere Schüler zusammen mit den Horterziehern ihre Hausaufgaben machen und lernen
  • (19:03) Als Jungpioniere waren die Schüler noch ambitionierter, die Pionierveranstaltungen zu besuchen, je älter die Schüler wurden, desto mehr machte sich die Unlust vor den Pflichtveranstaltungen breit, ganz zu schweigen vom Wehrkundeunterricht später in der Schule in Beelitz. Es gab auch ein Wehrlager (2-3 Wochen), in dem die Schüler theoretisch und praktisch in militärischen Belangen ausgebildet wurden
  • (25:30) Beide denken gern an ihre Schulzeit zurück, untereinander haben die ehemaligen Schüler immer noch Kontakt. Viele sind in Wittbrietzen oder den umliegenden Dörfern geblieben. Die Schüler bildeten eine Gemeinschaft, keiner blieb außen vor, man spielte nach der Schule zusammen und es gab keine Grüppchenbildung
  • (28:58) In der 8. Klasse gab es eine Klassenfahrt in den Spreewald zum Zelten
  • (29:31) Es gab Arbeitseinsätze im Rahmen des PA-Unterrichts (Produktive Arbeit) in verschiedenen größeren Betrieben in Beelitz, die Klassen wurden dabei aufgeteilt
  • (33:09) Nach der Schulzeit kamen die meisten männlichen Schüler in Handwerksberufen in Beelitzer Betrieben unter, Studienplätze waren in der Zeit rar
  • (38:45) Die Lehrerzimmer waren in dieser Zeit im ersten Stock des dritten Schulhauses. Das Mittagessen gab es zuerst in der Gaststätte, ab 1978 in der ZBE (jetzt Agricola), in den Pausen gab es Milch (Schoko, Erdbeere, Vanille, normale Milch) in kleinen Flaschen mit Aludeckel, in den ersten Klassen gab es Milch in Pyramidenform-Tetrapacks
  • (43:00) Die Maulbeerbäume standen am Giebel des dritten Schulhauses. Sie wurden Ende der 70er Stück für Stück entfernt. Auf dem Schulhof stand ein großer Fahnenmast. Das heutige Trafohaus war eine Bushaltestelle
  • (44:27) Sport wurde auf dem Sportplatz, auf dem Schulhof oder in einem Raum im roten Gebäude unterrichtet. Herr Schmeier leitete eine AG Sport. Der Wittbrietzener Sportplatz wurde 1972/73 gebaut und seitdem auch für den Schulsport genutzt
  • (46:25) In den Sommerferien wurden von Schule Schwimmkurse im Freibad Treuenbrietzen angeboten. Die meisten Schüler konnten allerdings schon schwimmen, weil sie es im Wittbrietzener Kiesschacht bereits gelernt hatten
  • (47:35) Ende der 70er gab es die Theater-AG es nicht mehr. Vorstellungen gab es in der Kirche z.B. das Krippenspiel zu Weihnachten

Fragekatalog – Folgende Fragen wurden gestellt

  • Wie heißt du und wann bist du in Wittbrietzen zur Schule gegangen?
  • Was sind die ersten Erinnerungen an deine Schulzeit?
  • Wie groß war eure Klasse? Welches Schreib- und Schulmaterial hattet ihr zur Verfügung und an welche Anschauungsmaterialien und technischaen Geräte erinnerst du dich?
  • Welche Erinnerungen hast du an das Schulgebäude, seine innere Ausstattung und den Schulhof? Was hing an den Wänden?
  • An welche Lehrer erinnerst du dich und warum? Wie erlebtest du das Verhältnis zwischen Lehrer und Schülern?
  • Wie sah dein weiterer Tagesablauf nach der Schule aus und in welcher Weise haben deine Eltern deine schulische Entwicklung begleitet?
  • Welchen Stellenwert hatte für dich die kirchlichen Parallelangebote Christenlehre und Junge Gemeinde?
  • Mit welchem Bild, welcher Methapher würdest du deine Schulzeit in Wittbrietzen beschreiben wollen?
  • Welche besonderen Umstände in der Familie, im Dorf und in der Gesellschaft prägten eure Schulzeit? Welchen Einfluss hatte die Politik auf deinen Schulalltag?
  • Gibt es sonstige besondere Erlebnisse oder Konflikte, die du mit deiner Schulzeit / Freizeit verbindest?
  • Hast du den Eindruck, eine gute und ausreichende Schulbildung genossen zu haben?

Das ganze Interview gibt es im Archiv

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